Die Emsüberführung der Anthem of the Seas – ein Erlebnis

Die Meyerwerft in Papenburg baut jedes Jahr zwei Kreuzfahrtschiffe für verschiedene Auftraggeber. Dabei hat die Werft einen Standortnachteil, denn Papenburg liegt nicht an der See. So müssen die Riesenschiffe ca. 40km über die Ems zum Meer überführt werden. In diesem Jahr klappe es terminlich und ich konnte die Überführung der Anthem of the Seas aus der Nähe beobachten.

Den Beginn der Überführung terminierte die Werft auf nachmittags 14:30Uhr. Diese Zeitplanung kam mir entgegen, denn bis ca. 19:00Uhr konnte ich mit gutem Fotolicht rechnen. Nach meiner Anreise am Vortag verbrachte ich die Nacht im Wohnmobil direkt an der Werft im Schatten der Anthem of the Seas, die auf die erste Reise vorbereitet wurde.

Die Anthem of the Seasist das zweite baugleiche Schiff, das die Werft für die Royal Caribbean fertigte. Die beiden Schiffe sind die größten, bisher in Deutschlang gebauten Kreuzfahrtschiffe. Die späteren Einsätze werden das von Florida, USA, erfolgen. Die Daten des Schiffes:
Länge: 348m                                Breite: 41,5m
Tiefgang: max. 8,5m                    Maschinenleistung: 67.700kW
Passagiere: 4200 Personen        Mannschaft: 1500Personen
Vermessung. 168.666 BRZ

Am Tage der Überführung füllte sich der Parkplatz schnell. Zahlreiche Besucher wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Den Vormittag verbrachte ich mit einem kleinen Rundgang um das Werftgelände, um gute Fotopositionen zu finden. Bereits jetzt standen schon Besucher auf den Deichen. Auf dem Parkplatz hielten Verkaufsstände für Getränke und Verpflegung für die Schaulustigen bereit.

Um einen Transport eines solchen Ozeanriesen auf der Ems zu ermöglichen, wird die Ems mit Hilfe des Emssperrwerks in Gandersum bei Emden aufgestaut. Erst wenn der erforderliche Wasserstand erreicht ist, wird die Durchfahrt von der Ems zu Werfthafen durch Öffnen eines Schleusentores freigegeben.

Endlich geht es los

Um 13:30Uhr war es soweit. Das Tor senkte sich und die schon vor dem Tor wartenden vier Schlepper konnten in den Werfthafen einfahren. Am Bug der Anthem of the Seas befestigten die Werftmitarbeiter einen Ponton, damit der Schlepper seine Kraft besser entfalten konnte.

Beteiligte Schlepper
Bugsier 6 (Einsatz am Heck)
Länge: 28m, Breite: 11,50m, Pfahlzug: 80t, Maschinenleistung: 3x1600kW, Einsatzhafen: Bremerhaven
Wilhelmshaven (Einsatz am Bug)
Länge: 30m, Breite: 11m, Pfahlzug: 51t, Maschinenleistung: 3690kW, Einsatzhafen: Bremerhaven
Waterstroom (Reserve)
Länge: 29m, Breite: 10m, Pfahlzug: 60t, Maschinenleistung: 2x1864kW, Einsatzhafen: Eemshaven
Gruno 4 (Pontontransport)
Länge: 22m, Breite: 7,30m, Pfahlzug: 26t, Maschinenleistung: 2410kW, Einsatzhafen: Eemshaven

Nachdem ich diese Vorarbeiten in aller Ruhe aus dem warmen Wohnmobil beobachten konnte, machte ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg. Ich wollte das Schiff auf einem Teil des Weges begleiten. Das erste Ziel war der Deich am Werfthafen.

Da dort wie erwartet bereits sehr viele Besucher standen und der Sonnenstand das Fotografieren erschwerte, beschloss ich, auf die andere Seite der Ems zu wechseln. und mir gegenüber der Werftausfahrt einen Platz in der warmen Frühlingssonne zu suchen. Schnell erreichte ich mein Ziel, obwohl der kleine Weg durch parkende Fahrzeuge fast völlig blockiert war.

Dank des schönen Frühlingswetters verging die Wartezeit schnell. Pünktlich begann die Anthem of the Seas das Heck durch die enge Dockschleuse zu schieben. Etwas ungewöhnlich sieht es aus, da die Überführungen rückwärts erfolgen. Nach Angaben der Werft ist es auf diese Weise einfacher, die Schiffsriesen über die enge Ems zu manövrieren.

Das Schiff ist unterwegs

Ganz langsam und vorsichtig zogen und schoben die Schlepper den Riesen aus dem Werfthafen hinaus. Natürlich fehlte nicht der Abschiedsgruß mit dem Schiffshorn und das unvermeidliche „Its time to say goodbye“ in voller Lautstärke. Die vielen Zuschauer verfolgten gebannt das Geschehen auf dem Wasser.

Langsam schob sich das Schiff an meiner Position vorbei die Ems abwärts. Erst als das Schiff direkt vor mir war, wurden mir die Dimensionen wirklich bewusst. Gut war erkennbar, wie eng es zwischen Schiff und dem Ufer zugeht.

Nachdem das Schiff meine Position passiert hatte, machte ich mich auf den Weg weiter an der Ems entlang. Einige Besucher versuchten mit dem Auto das Schiff zu begleiten. Dies führte auf den engen Feldwegen zu Engpässen. An jedem Deichzugang war das Durchkommen selbst mit dem Rad schwierig. Ich suchte mir eine neue Beobachtungsposition in der Abendsonne, denn im Schatten wurde es bereits kalt.

Schiffsbegleitung mit dem Rad

Ich musste einige Zeit warten, bis das Schiff die Strecke bewältigt hatte. Die Zeit nutzte ich dazu, mir die Folgen der Emsaufstauung näher anzusehen. Die Schiffsüberführungen sind insbesondere bei Naturschützern umstritten, da durch den hohen Wasserstand die ufernahen Wiesen und Schliffflächen überschwemmt werden.

Die Überführungen finden meist im Winter statt, um keine Nester der brütenden Vögel zu zerstören. Dennoch stellt das künstliche Hochwasser immer einen Eingriff in die Natur entlang der Ems dar. Es ist eine schwierige Abwägung zwischen Arbeitsplätzen, wirtschaftlichem Erfolg und dem Schutz der Natur.

Das Schiff kam nur sehr langsam voran. Kurz vor meinem Standort musste eine 45Grad-Kurve gemeistert werden. Zeitweise ging es nicht vorwärts, während die Schlepper das Schiff seitlich ausrichten mussten. Ich konnte gut nachempfinden, welch eine Herausforderung der Transport für die Lotsen, Nautiker und Schlepperführer darstellt.

Mittlerweile sollte das Schiff gemäß Terminplan schon in Weener angekommen sein. Die Verspätung betrug nach dieser kurzen Strecke bereits ca 1,5 Stunden. Langsam ging die Sonne unter. Ich machte noch einige Fotos und nahm langsam Abschied von der Anthem of the Seas.

Die Kälte beendet meine Begleitung

Langsam aber sicher kroch die Kälte in meine Kleidung, da der Wind leicht auffischte. Ich hatte einen guten Eindruck vom Geschehen bekommen und beschloss, den Rückweg anzutreten. Mein Fahrrad brachte mich zum jetzt leeren Werftparkplatz und zu meinem Wohnmobil zurück.

Wie schon bei meinem ersten Besuch vor einigen Jahren überraschte mich der Besucherandrang. Es hatte teilweise den Charakter einer Großveranstaltung. Auf meinem Rückweg hörte ich von einer Besucherin den Satzfetzen: „Das war ein tolles Erlebnis, so etwas mal aus der Nähe zu sehen“. Dieser Aussage kann ich mich anschließen.

Begünstigt durch die günstige Tageszeit und den Sonnenschein empfand ich den Besuch als sehr unterhaltsam und interessant. Die Besucher, die weiter unten an der Ems auf das Schiff warteten, hatten nicht ganz so viel Glück, denn durch die sehr langsame Fahrt gab es erhebliche Verspätungen. An den viel besuchten Punkten in Leer und Weener kam das Schiff erst in der Nacht an. Ich kann verstehen, wenn diese Besucher zu einem anderen Urteil kommen.

letzte Änderung 08/01/2019