Linksverkehr in England
Das Leben auf der anderen Seite

In meinem bisherigen Leben hatte ich nie Schwierigkeiten, wenn es um die Unterscheidung zwischen der rechten und der linken Seite ging. Ohne nachzudenken war die Richtung für mich klar. Im Laufe der Jahre lernte ich, sicher über die Straße zu gehen und mit dem Fahrrad den richtigen Radweg zu nutzen. Später, in der Fahrschule, eignete ich mir die Regeln für Kreisverkehre und „rechts vor links“-Kreuzungen an.

Erste Erfahrungen in Dover

All diese antrainierten Fähigkeiten verloren jedoch direkt nach dem Verlassen der Fähre in Dover ihre Bedeutung. Der Verkehr verlief dort einfach spiegelverkehrt. Für die Gäste vom Kontinent gab es keine Eingewöhnungszeit. Sofort ging es mit Kreisverkehren und Kreuzungen los. Auf zwei Fahrspuren führte der Weg aus dem Fährhafen direkt in die Stadt. Drei mehrspurige Kreisverkehre mussten auf dem Weg zur Autobahn passiert werden.

Überraschenderweise klappte es in den ersten Metern sehr gut. Eingekeilt zwischen den großen Lkw folgte ich einfach der Mehrheit. So gelang es mir, die richtigen Ausfahrten zu nehmen, auch wenn es mir völlig falsch erschien. Immer wieder hatte ich das Gefühl, im Gegenverkehr unterwegs zu sein.

Autobahn und Landstraße

Auf der Autobahn begann sich meine Welt weiter zu verschieben. Plötzlich wurde ich ständig rechts überholt, und mein bisher eher geschonter rechter Außenspiegel stand im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit. So rollte ich einige Kilometer ruhig auf der linken Fahrspur dahin. Irgendwann wagte ich den ersten Überholvorgang. Es dauerte erneut eine Weile, bis ich mich an den mittleren Fahrstreifen gewöhnt hatte. Rechts fuhren die schnellen Autos, während auf der linken Seite die Lkw langsam vorankamen.


Mein Tipp: Eine Erholungspause direkt nach dem Ortsende von Dover. Eine Rast auf Samphire Hoelohnt sich. Weiße Klippen und Meerblick gibt es satt. (Details im Irland-Reisebericht, gleich am Anfang)

Noch vor dem Erreichen der M25, dem Londoner Autobahnring, hatte ich mich bereits weitgehend an die fremde Autobahn gewöhnt. Doch auf dem Navi tauchte schon die nächste Herausforderung auf: die Landstraße. Diesmal halfen mir keine Autoschlangen, die mir den Weg wiesen. Die ersten Kreuzungen erforderten viel Überwindung. Immer wieder schossen mir Gedanken durch den Kopf: Fahre ich wirklich nicht in den Gegenverkehr?

Kurz darauf stand die Königsdisziplin an: das Abbiegen nach rechts. Wohin soll ich schauen? Woher kommt der Gegenverkehr? Es dauerte viele Abbiegungen, bis ich mich schließlich sicher fühlte.

Fußgänger leben gefährlich

Die nächste Herausforderung erlebte ich bei unserem ersten Stadtbummel.  Beim Überqueren der Straße befand ich mich ständig in der Gefahr überfahren zu werden. Die Autos kamen immer wieder aus unerwarteten Richtungen.  In den folgenden drei Wochen lernte ich es nicht, beim Überqueren der Fahrbahn meine Blickrichtungen anzupassen.

Mit dem Auto war es einfacher. Mit jedem Reisetag verlor der Linksverkehr an Bedeutung. Am Ende des Urlaubs fuhr ich routiniert auf der linken Seite. Schwierig wurde es nur, sobald ich anfing beim Fahren nachzudenken. Sogar die Kreisverkehre beherrschte ich problemlos.  Allerdings nehme ich es meinem Navi heute noch übel, mich in diesen Kreisverkehr geschickt zu haben. 

Schottland, leere Straße in den Highlands

An dieser Stelle gebe ich zu, dass ich auf jeder Reise nach Großbritannien einmal auf die falsche Seite geriet. Immer passierte es nach dem Start von einem Parkplatz oder beim Wenden. Sobald ein anderer Verkehrsteilnehmer in Sicht kam, bemerkte ich immer meinen Fehler und erntete ein mildes Lächeln des Autofahrers.

Nach vielen Kilometern auf der Insel hatte der Linksverkehr seinen Schrecken verloren. Ganz entspannt gelangten wir zurück nach Dover. In Calais kam der erste Kreisverkehr. War ich richtig? Wo ist die Ausfahrt? Irgendetwas kam mir sehr falsch vor. 

letzte Änderung 06/03/2025

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